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Sprachmosaik


 


 

Aktion „Lebendiges Deutsch“

Was wollen wir? Wir wollen für jenes unbefangene Vertrauen in die eigene Muttersprache werben, wie es Engländern und Franzosen, Polen, Spaniern und Italienern selbstverständlich ist.
Als Beitrag dazu werden wir jeden Monat zwei Vorschlage machen oder erbitten, welche griffigen und treffenden deutschen Wörter an die Stelle englischer Wörter treten können, wenn die überflüssig, hässlich oder nicht allgemein verständlich sind.

Wir sind keine Puristen, keine Fremdwort-Jager, keine Bildersturmer. Wir bejahen die Bereicherung des Deutschen durch fremde Sprachen; und manche Importe gerade aus dem Englischen begrüßen wir. Unsere Initiative richtet sich allein gegen die schiere Anglomanie, gegen das Übermaß.

1. Ein „Blockbuster“ ist ein „Straßenfeger“. Unter den 655 Vorschlagen für das Suchwort des Monats August wurde dieser am häufigsten genannt. Gut gefielen der Jury auch „Kassenschlager“ und „Knüller“.

2. Das Angebot des Monats: sagen wir doch „einlesen“ statt „scannen“. Dann versteht auch jeder, was dabei geschieht.

http://www.aktionlebendigesdeutsch.de/index.php


 

Die Werbung spricht wieder Deutsch

"Bulette" statt "Burger"?


Lange haben deutsche Werber versucht, mit schlechtem Englisch Kunden anzulocken. Jetzt geht der Trend zuru"ck zur Muttersprache und weg vom merkwu"rdigen "Denglish". Endlich – findet der Amerikaner Marc Young.

Die Deutschen haben in den vergangenen Jahren mit sorgloser Hemmungslosigkeit englische Wo"rter und Redewendungen in ihre Sprache aufgenommen. Entstanden ist das ziemlich da"mliche "Denglish", was sich bei vielen Deutschen leider viel zu großer Beliebtheit erfreute.

Ein Mobiltelefon "Handy" zu nennen, oder ins Internet zu gehen, um mit Freunden zu "chatten", ist natu"rlich noch harmlos. Problematisch wird es, wenn englische Wo"rter benutzt werden, wo es eigentlich vernu"nftige deutsche Alternativen gibt. So besteht zum Beispiel u"berhaupt keine Notwendigkeit, das englische Wort "updaten" zu verwenden, wenn "aktualisieren" vo"llig in Ordnung ist.

Noch viel schlimmer sind aber Unternehmen, die diese nervende Angewohnheit u"bernehmen. So wurde die Deutsche Telekom ein Mal ganz zu Recht attackiert, als sie auf Telefonrechnungen Inlandstelefonate als "City Calls" auswies. Denn natu"rlich wussten 86-ja"hrige Omas im tiefsten Bayern mit diesem Posten nichts anzufangen.

Zum Glu"ck haben gro?e Werbeagenturen jetzt aber offensichtlich eingesehen, dass die gro?e Mehrheit der Teutonen echte Probleme hat, die ha"ufig ungeschickten englischen Werbeversuche zu verstehen. Das Marktforschungsunternehmen Dialogo fand vor kurzem heraus, dass die sieben bekanntesten Werbespru"che deutscher Firmen auf Deutsch waren.

Die Parfu"meriekette Douglas hatte die Kunden jahrelang mit dem Slogan "Come in and find out" verwirrt. Leider dachten viele Deutsche, die Duftverka"ufer wu"rden sie motivieren, rein zu kommen, um dann wieder den Weg nach drau?en zu finden. Mit "Douglas macht das Leben scho"ner" wirbt das Duft-Unternehmen jetzt mit einem eindeutigen Versprechen.

Komischerweise war es das ur-amerikanische McDonald’s, das die Bewegung zuru"ck zur deutschen Sprache anfu"hrte. Die Hamburger-Kette verwarf ihren Slogan "Every Time a Good Time" und wirbt jetzt stattdessen mit "Ich liebe es". Ganz sicher lieben werden das alle Denglish-Gegner.

GLOSSAR:

Denglish / Denglisch – Zusammensetzung aus Deutsch und English/Englisch: Deutsch mit vielen englischen Ausdru"cken vermischt
sich gro?er Beliebtheit erfreuen – sehr beliebt sein
harmlos – nicht schlimm; in Ordnung
es besteht keine Notwendigkeit – es ist nicht no"tig
zu Recht – richtigerweise
mit etwas nichts anzufangen wissen – etwas nicht verstehen
ur-(vor Adjektiven) – sehr
etwas (einen Plan, einen Gedanken, hier: den Slogan) verwerfen – etwas nicht mehr weiter verfolgen; etwas aufgeben

Äàííàÿ ñòàòüÿ âçÿòà ñ ñàéòà: http://www.dw-world.de 11.2004


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Achtung! Zickenalarm

Nein, es ist kein Druckfehler. In gro?en Buchstaben steht es da. "Zicke" ist auf dem T-Shirt des Madchens zu lesen, das gerade das Cafe betritt. Eigentlich ist "Zicke" eine Beleidigung. Manner beschimpfen Frauen gern als "Zicken" (Ziegen), die sie fur uberspannt und eigensinnig halten. Doch im letzten Sommer kam das Wort als T-Shirt-Logo gro? in Mode.

Seitdem outen sich viele Madchen als Zicke. Uberall tauchen sie auf. Manchmal sogar scharenweise, wie auf Konzerten oder ahnlich gro?en Veranstaltungen. Wie es zum Imagewechsel der Zicke und damit zum Massenauftritt kam?
Jana und Sarah, beide 19 Jahre alt, sind uberzeugte Zicken, denn sie finden: "Es ist durchaus positiv, eine Zicke zu sein." Doch eine wahre Zicke, so die beiden, erkennt man nicht unbedingt an der Kleidung. Vielmehr kommt es auf das Auftreten an. "Zicken sind selbstbewusster und sagen, was sie wollen", meinen sie. - Beide studieren, Jana Betriebswirtschaftslehre, Sarah Regionalwissenschaften Ostasiens. Das Studium wollen sie "so schnell es geht" ab- schlie?en, um sich dann einen guten und lukrativen Job zu sichern. "Entweder im Tourismusbereich oder in der Unternehmensberatung", uberlegt Jana. Sicherlich sei das ein hartes Geschaft. "Aber ich bin bereit viel zu arbeiten. Vorausgesetzt ich verdiene entsprechend viel Geld."
Um spater einmal bessere Chancen im Beruf zu haben, zieht es beide ins Ausland. Sarah wurde gern nach China gehen. Dafur lernt sie schon mal Chinesisch. Jana dagegen mochte nach ihrem Studium ein Jahr in Japan verbringen. An der Uni hat sie Japanologie als zweites Fach belegt. Bei diesen Planen bleibt der Wunsch nach Familie erst einmal au?en vor. "Spater vielleicht mal", uberlegen sie. "Nicht zwingend", entscheidet Jana. Geld verdienen und die berufliche Karriere sind ihr wichtiger. Zur Zeit jedenfalls noch!
Mit dieser Meinung und ihren beruflichen Vorstellungen stehen die beiden nicht allein. Sarah und Jana sind typische Vertreterinnen einer neuen Frauengeneration. Mit der befasste sich auch ein gro?es deutsches Nachrichtenmagazin. Unter dem Titel "Die heimliche Revolution" nahm die Zeitschrift die Lebensanschauungen der 15- bis 25-Jahrigen unter die Lupe. "Motiviert, selbstbewusst, pragmatisch und mit gro?er Klappe stellen sich die 15- bis 25-Jahrigen der Zukunft", konnte man in dem Artikel lesen. Ist das Selbstverstandnis der Zicken als eine neue Art von Frauenpower zu verstehen? Jana und Sarah sehen es jedenfalls so. "Wer sich nicht traut, geht unter", meinen sie. Besonders als Frau.
Sarah erinnert sich: "Fru-her war ich ganz anders. Ich war sehr schuchtern und habe mich nicht so richtig getraut, meine Meinung zu sagen. Heute sage ich, was ich denke. Dadurch erreiche ich viel mehr." - "Die Welt ist egoistischer geworden. Man muss lernen sich durchzusetzen", steht ihr Jana bei. "Besonders im Beruf mussen sich Frauen immer noch starker behaupten als Manner. Denn sie verdienen immer noch weniger Geld als Manner E in derselben Position", begrundet sie ihre Meinung. Manchmal musse man sich allerdings auch mit seiner Meinung zuruckhalten konnen. Und abwagen, mit wem man gerade spricht. "Bei Leuten, von denen man abhangig ist, wie beispielsweise Lehrer, hat man meistens sehr schlechte Karten", schildern die beiden ihre Erfahrungen. Das Fazit, das sie ziehen, lautet deshalb: "Auch eine Zicke muss ihre Grenzen kennen."
Was fur den Beruf gilt, ist naturlich auch fur die Freizeit ma?gebend. Gelebt wird auch hier nach der Devise: "Jetzt bin ich erst einmal dran." So geht es den Madchen in erster Linie darum, Spa? zu haben. Fast alles ist erlaubt. Normen und Vorgaben, wie sie die Lebensentwurfe ihrer Mutter und Gro?mutter vorsahen, gibt es nicht mehr. "Jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen", findet Sarah. "Und wenn ich an einer Sache keinen Spa? habe, engagiere ich mich auch nicht richtig. Dann wird das meistens nichts." Nur ungern lasst sie sich bei Entscheidungen reinreden. "Ja, ich hab' schon meinen eigenen Kopf", fugt sie nach einer kurzen Uberlegung hinzu.
Und was denken die Jungen bei soviel weiblichem Selbstbewusstsein? "Die meisten gucken etwas skeptisch, wenn sie auf selbstbewusste Madchen treffen!", berichten die Studentinnen. Zugleich aber fuhlen sich viele von dem selbstsicheren Erscheinungsbild der Madchen angezogen. Denn: "Unselbststandige Frauen wirken doch wie Mauerblumchen", verkunden sie kess. Ganz im Stile einer Zicke! Deshalb sei es auch durchaus attraktiv, eine Zicke zu sein, meinen sie. Ein bisschen Koketterie ist eben auch im Spiel. Und weil das so ist, hat der Handel als Antwort das passende T-Shirt fur Jungen entwickelt. Auch dieses Mal besteht das Logo nur aus einem Wort. "Zickenbandiger" ist auf dem Hemd zu lesen. Die Zielgruppe: mutige Jungs, die eine Herausforderung suchen!

Äàííàÿ ñòàòüÿ âçÿòà ñ ñàéòà: http://www.juma.de 05..2002


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Sprache im Fluss

Deutsch ist die meist gesprochene Muttersprache in der Europäischen Union. 90 Millionen Menschen wachsen mit ihr auf, 50 Millionen sprechen sie als Fremdsprache. Deutsch ist lebendig, wandelt sich, nimmt Strömungen und Moden auf, spielt mit ihnen. Nicht alles dient dem guten Stil – aber auch der wird gepflegt. Ein Überblick über Tendenzen der deutschen Sprache

Von Helmut Glueck

Hast du Problem oder was?“ Diese Wendung entstammt einer Kunstsprache von Jugendlichen, die das Deutsch türkischer Hauptschüler imitiert. Sie ist inzwischen in Spielfilme, in die Comedy und die Werbung eingegangen. Man kann sie etwa so übersetzen: „Ist etwas nicht in Ordnung mit dir? Fehlt dir etwas?“. Diese Kunstsprache heißt Kanak Sprak. Sprak heißt Sprache, falsch ausgesprochen, und Kanake ist ein böses Schimpfwort für Leute, die ausländisch aussehen und gebrochen Deutsch sprechen. Indem diese Jugendlichen ein Schimpfwort verwenden, um ihre Sprechweise zu bezeichnen, nehmen sie ihm seine abwertende Bedeutung und drehen den Spieß um: „Hört her, unsere Sprechweise ist etwas Besonderes, sie ist knapp, rhythmisch, rappend, wir finden sie schön, und die Erwachsenen können sie nicht: Voll krass, ey!“ (was so viel heißt wie: wirklich in Ordnung, sehr schön). Wer Deutsch lernen will, lernt aber in der Regel Hochdeutsch und keinen Jugendjargon.

„Richtig“ und „anders“

Wenn jemand, der ordentliches Deutsch gelernt hat, zum ersten Mal nach Deutschland reist, bekommt er trotzdem oft einen Schrecken: Die Deutschen sprechen ja ganz anders, als ich das gelernt habe! Sie sprechen viel schneller als wir im Klassenzimmer, sie lassen viele Endungen weg, sie verschlucken ganze Silben, man versteht sie kaum! Seien Sie beruhigt: Bald werden Sie dieses Alltagsdeutsch verstehen. Sie werden feststellen, dass in Deutschland fast nur in den Fernsehnachrichten und im Theater „richtiges“ Hochdeutsch gesprochen wird und dass man die Leute in Hannover besser versteht als in Dresden, München oder Köln. Aber auch in Dresden, Köln und München spricht man Deutsch, wenn auch ein bisschen anders, denn jede Region hat ihren besonderen Tonfall. Außerdem ist die Art und Weise, wie die Leute sprechen, von weiteren Faktoren abhängig. Warenhausverkäuferinnen und Bauarbeiter sprechen anders als Gymnasiallehrer und Chefsekretärinnen, Leute vom Land anders als Stadtbewohner. Und jeder Einzelne von ihnen passt sich unterschiedlichen Situationen auch sprachlich an: In der Familie oder in der Kneipe geht es lockerer zu als beim Behördengang oder beim Elternabend. Noch bunter wird das Bild, wenn man Berufs- und Sondersprachen berücksichtigt. Man kann sie hören, wenn Jugendliche sich über die Kurventechnik von Motorrollern, Taxifahrer über ihre Schichteinteilung oder Verkäuferinnen über schwierige Kunden unterhalten. Und natürlich sprechen die Jungen etwas anders als die Älteren. Sie verwenden allerdings nur selten die Kanak Sprak. Üblicherweise sprechen sie ganz normales Deutsch.


Sprechen Sie Deutsch?

Das deutsche Sprachgebiet ist historisch in drei Teile gegliedert. Im Norden spricht man auf dem Lande Niederdeutsch, sonst Hochdeutsch mit Eigenheiten in der Aussprache (man sagt dort S-tau statt Schtau und S-paß statt Schpaß). Im Süden sind die oberdeutschen Dialekte Bairisch und SchwäbischAlemannisch noch heute sehr lebendig, und dazwischen spricht man Mitteldeutsch von Dresden (Sa"chsisch) u"ber Frankfurt (Hessisch) bis Trier (Moselfra"nkisch). Fast u"berall wird aber auch Hochdeutsch gesprochen, auch in Wien (O"sterreich), das zum bairischen Dialektgebiet geho"rt. Nicht aber in der Schweiz. Dort ist das Hochdeutsche zwar Schriftsprache und wird an den Schulen gelehrt, aber viele Deutschschweizer können es nicht sprechen, was der Schweizer Regierung Sorgen macht.

Doch nicht nur in den deutschsprachigen La"ndern spricht man Deutsch, sondern auch in einigen Nachbarregionen, in denen das Deutsche Minderheitensprache ist, etwa in Ostbelgien, in Südtirol oder in Nordschleswig. Im Elsass und in Lothringen sind das Alemannische und das Rheinfränkische auf dem Lande noch teilweise lebendig. Außerdem spielt das Deutsche als Fremdsprache in vielen Ländern eine wichtige Rolle, vor allem in Mittel- und Osteuropa, aber auch in Finnland und in den Niederlanden, in Kamerun, Kasachstan und Georgien. Fast 20 Millionen Schülerinnen, Schüler und Studierende lernen weltweit Deutsch, und mindestens 50 Millionen Menschen haben gute Kenntnisse des Deutschen als Fremdsprache.


90 Millionen Muttersprachler

Worum handelt es sich bei dieser Sprache, die für über 90 Millionen Menschen in Mitteleuropa Muttersprache und fürü ber 50 Millionen eine geschätzte Fremdsprache ist? Sie ist seit 1200 Jahren bezeugt, besitzt seit etwa 200 Jahren einen hochsprachlichen Standard und ist beständig in Bewegung. Das sollen einige Beispiele verdeutlichen. Es gibt ModeAdjektive, mit denen man besonders gute Dinge und hohe Zufriedenheit bezeichnet. Um 1900 verwandte man dafür Wörter wie famos, kolossal oder allerliebst, die heute völlig veraltet sind. Wer vor 40 Jahren aufgewachsen ist, sagt heute noch manchmal knorke oder dufte, was die Jungen putzig finden. Die sagen spitze, irre, super, grell, fett, geil oder eben: voll krass, ey!, wenn sie etwas „cool“ finden.

Eine große, oft übergroße Rolle spielen Entlehnungen aus dem Englischen und Bildungen, die es im Englischen gar nicht gibt, zum Beispiel Handy (englisch mobile phone). Es gibt Bereiche, in denen es keine deutschsprachigen Terminologien mehr gibt, etwa in der Technik und in der Wirtschaft, aber auch im Alltag. In Tageszeitungen werden Stellen angeboten für Facility Management Consultants, Lotus Notes Workgroup Demand Managers und Senior Mechanical Developers for RF-Devices – was das ist, wissen allenfalls Fachleute. Nicht jeder Fluggast der Lufthansa weiß, was ein Standby oneway Upgrade-Voucher ist, und jemand, der sich Winterstiefel kaufen will, wird eher verstört reagieren, wenn ihm der Verkäufer ein Dee Luxe Retention System mit integrierten Powerloops anpreist. Die Warenwelt und die Werbung sind voll von teilweise absurden Anglizismen, die nicht verstanden werden. Der Slogan einer Ladenkette „come in and find out“ wurde von den meisten Leuten übersetzt mit „komm rein und find wieder raus“ – so war er nat6ürlich nicht gemeint. Englisch-Amerikanisches gilt vielen als progressiv und innovativ, und das hinterlässt auch in der Sprache Spuren. Entsprechend heftig sind die Kontroversen über dieses Denglish.


Phantasie und Stilblüten

Doch auch andere Sprachen spielen bei Entlehnungen eine Rolle. So gibt es viele Phantasiebildungen mit dem italienischen Steigerungssuffix -issimo, das große Intensität und höchstes Maß ausdrücken soll. Alfredissimo ist eine Unterhaltungssendung im Fernsehen, die ein Moderator namens Alfred gestaltet, cremissimo ist ein Milchprodukt von höchst cremiger Beschaffenheit, komfortissimo sind Schuhe, die sehr bequem sein wollen. Oft werden Fachbegriffe in Alltagszusammenhängen verwendet. Das gibt ihnen den Schein von Seriosität. Schnelle Entwicklungen beliebiger Art werden – in Unkenntnis des physikalischen Hintergrundes – Quantensprung genannt, irgendwelche Zusammenhänge heißen modular oder vernetzt, wünschenswerte Vera"nderungen sollen nachhaltig sein, und viele Politiker halten sich für effizient und innovativ.

Im Geschäftsleben ist Unverwechselbarkeit lebenswichtig, sowohl bei den Produkten und den Slogans als auch bei den Firmennamen. Besitzer einfacher Ladengeschäfte haben es da schwer, weil die Konkurrenz sehr groß ist. Dieser Zwang zu „Originalität“ hat beispielsweise bei den Friseuren erstaunliche Blüten getrieben. Einst hießen ihre Läden Friseursalon; Salon hei?en heute fast nur noch Geschäfte, die sich der Hundepflege widmen. Später nannte der Firmenname oft den Namen des Besitzers beziehungsweise der Besitzerin (gern mit dem im Deutschen nicht existenten sächsischen Genitiv): Hugo’s Haar Haus, Moni’s Lockenstudio. Heute deutet er manchmal den Geschäftszweck immerhin noch an, Hair Factory, Hairlich, Die Locke. Mitunter sind die Namen aber so originell, dass kein Mensch mehr versteht, worum es geht – Krehaartiv, Headhunter oder Schnittstelle. Sie sind ohne die Schaufenster oder das Ladenschild nicht mehr verständlich, und sie werden immer dämlicher.

Eine andere Mode ist die Herstellung von Kurzwörtern mittels der Endungen -i oder -o. Mitunter wird einfach die erste Silbe eines Wortes genommen und durch ein -i oder ein -o abgeschlossen, zum Beispiel Alki „Alkoholiker“, Zivi „Zivildienstleistender“. Man kann auf diese Weise auch Substantive aus Adjektiv- und Verbsta"mmen bilden – Brutalo „gewalttätige Person“, Schlaffi „antriebsarme Person“. Eigennamen Prominenter werden auf diese Weise verniedlicht, wie Gorbi „Gorbatschow“, Klinsi „Klinsmann“. Das Bildungsmuster ist nicht neu – seit langem gibt es Gabis und Mannis, Muttis und Fiffis, Pullis und Mausis.


Guter Stil gewinnt

Das Deutsche lebt. Es hat hochsprachliche Normen, doch unterhalb dieser Normen und neben ihnen gedeiht allerhand, was ihnen nicht entspricht. Die Dialekte sind sehr lebendig, nicht nur in der Schweiz und in der Provinz. Das Deutsche verändert sich, es nimmt Neues auf und lässt Altes hinter sich, vor allem im Wortschatz. Manche Veränderungen sind problematisch, etwa die Inflation englischer Vokabeln in bestimmten Bereichen und die Rechtschreibreform. Darüber wird viel gestritten. Aber es gibt auch Bemühungen, guten Sprachgebrauch und vorbildlichen Stil zu fördern. Dafür werden Preise vergeben, der Deutsche Sprachpreis etwa, der 2003 an die Kolumne „Das Streiflicht“ der Süddeutschen Zeitung ging, oder der JacobGrimm-Preis, der heuer (süddeutsch für „dieses Jahr“) dem Gelehrten Christian Meier verliehen wurde. Es gibt nicht nur schlimme, sondern auch erfreuliche Nachrichten von der deutschen Sprache. Voll krass, ey!


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Deutsch lernen

Wie lernt man eigentlich am besten Deutsch? Ganz einfach: mit Spaß. Die Wege sind dabei so vielfältig wie die Motive Deutsch zu lernen – neben klassischem Unterricht gibt es Kurse im Radio und im Internet. Und manche lernen am schnellsten singend

Von Janet Schayan

Nein, im Japanischen gibt es keine drei Artikel, nicht im Koreanischen und auch nicht im Arabischen. Der, die, das – drei Wörter mit drei Buchstaben, die im Deutschen einen Tisch zu einem männlichen Gegenstand, ein Haus zu einem sächlichen, eine Bank zu einem weiblichen machen. Drei Wörter, mit denen jeder Deutschlerner Bekanntschaft macht. Manchmal eine la"stige. Auch in der Deutschstunde an diesem Mittwochvormittag geraten die Artikel durcheinander. Aber das ist nicht schlimm. Denn die vier Frauen und vier Männer im Intensivkurs des Goethe-Instituts Frankfurt sprechen schon sehr gut und können auch auf kompliziertere Fragen antworten – zum Beispiel darauf, was ihnen leicht und was ihnen schwer fällt am Deutschlernen. Praktisch findet Jeong Min aus Korea, dass man das Deutsche – meistens – schreibt, wie man es spricht. Makiyo aus Japan schätzt die Systematik der Grammatik, findet die Aussprache aber schwer. Irene aus Schweden geht es genau umgekehrt. Und Thomas aus den USA fällt das Lesen leichter als das Hörverstehen. Der Kurs geht in die letzte Woche. Zwei Monate lang haben die Acht jeden Wochentag dreieinhalb Stunden Unterricht gehabt, dazu insgesamt 64 Stunden mit Projektarbeit und Internetrecherche, ein Spezial-Programm des Frankfurter Goethe-Instituts. Manche träumen schon auf Deutsch. Die kleine Gruppe ist so bunt, wie es die Motive sind Deutsch zu lernen: Thomas ist emeritierter Professor und lernt einfach „nur aus Spaß“, Costas aus Griechenland will in Frankfurt Kieferorthopädie studieren, Makiyo heiratet demnächst einen Deutschen, Ahmad aus Katar arbeitet im Außenministerium seines Landes, die Jüngste, Jeong Min, ist mit ihren Eltern gerade nach Deutschland gezogen. Was hält eine so heterogene Gruppe im Unterricht zusammen? An diesem Vormittag scheint es ganz klar: der Humor. Gelacht wird viel, „es soll ja schließlich Spaß machen“, sagt die Lehrerin, Barbara Winkler. Heute stehen Wortschatzu"bungen auf ihrem Programm – und die gleichen eher einem Quiz. Jeder bekommt eine Karte mit einem Begriff und muss ihn so gut umschreiben, dass die anderen das Wort raten können. Eine „kommunikative“ Methode, mit der gerade Lerner, die an Frontalunterricht und Auswendiglernen gewo"hnt sind, manchmal Schwierigkeiten haben. „Aber das legt sich schnell“, sagt Günther Schwinn, Pädagogischer Leiter am Goethe-Institut Frankfurt, „ich habe auch anfangs sehr förmliche Ostasiaten schon nach drei Stunden tanzend und singend aus dem Zimmer kommen sehen.“
Wie, bitte, verträ gt sich das damit, dass Deutsch als besonders schwere Sprache gilt? „Das ist eben nur ein Gerü cht“, sagt Barbara Winkler, die 20 Jahre Lehrerfahrung hat. „Deutsch ist am Anfang vielleicht eine langsame Sprache, weil vieles miteinander koordiniert werden muss. Aber wenn man das Grundgeru"st hat, wird es immer leichter.“ Und das kann man nun wirklich nicht von jeder Sprache sagen... Und wie lernt man am besten Deutsch? Diesem Gedanken widmet sich seit den 70er Jahren ein eigenes Studienfach, das großen Zulauf hat: „Deutsch als Fremdsprache“ (DaF). Über 50 Hochschulen bieten heute diese spezialisierte Lehrerausbildung an. „Die“ richtige Methode aber gebe es nicht, „es gibt nur richtige Methoden für bestimmte Lernergruppen“, sagt Hiltraud Casper-Hehne, Vorstandsvorsitzende des Fachverbands Deutsch als Fremdsprache. Durchgesetzt habe sich aber weitgehend die „kommunikativ-interkulturelle Methode, mit dem Trend, dass Grammatik heute wieder eine stärkere Rolle spielt als in den 80er Jahren.“

Vokabeln mit Musik
Eine besonders originelle Spielart hat der Fremdsprachentrainer Uwe Kind entwickelt: Er lässt seine Schüler auf Deutsch singen. „Deutschvergnügen“ heißt programmatisch eines der von ihm dazu erarbeiteten Lernbücher. Die Idee kam Kind in einer Kaffeepause: Lehrer und Schüler hatten aus Spaß deutsche Volkslieder gesungen – „und als ich dann auf einmal Volkslieder-Deutsch im Vokabular meiner Schüler fand, wusste ich: Musik ist der leichteste Weg eine Fremdsprache zu lernen.“ Nur braucht man Wörter wie „Frühtau“ und „Rosse“ nicht ganz so dringend. Also dichtete er aktuelle Texte zu bekannten Melodien wie „Oh, Tannenbaum“, aber auch zu Rap-Rhythmen. So lasse sich die deutsche Sprache ganz einfach „entmystifizieren“, sagt Kind. Heute gibt er in vielen Ländern Seminare zu seiner Methode – auch für andere Sprachen.
Sicher, ein Angebot wie der Frankfurter Sprachkurs in Deutschland mit hochqualifizierten, muttersprachlichen Lehrern und intensiver Betreuung gehört bestimmt zu dem besten, was man machen kann, um Deutsch zu lernen – aber es ist auch ein Luxus, zeitlich und finanziell. Doch auch, wer weit entfernt im Ausland – sei es an einem der 125 Goethe-Institute in aller Welt, an Schulen, Abendschulen, bei privaten Lehrern oder in professionellen Sprachschulen – Deutsch lernt, kann heute ganz einfach in direkten Kontakt mit Deutschland treten. Internet und Radio schmelzen die Entfernungen: Der Auslandssender Deutsche Welle bietet schon seit Ende der 50er Jahre RadioSprachkurse an. Die 26 Lektionen des aktuellen Programms „Deutsch – warum nicht?“ (www.dwworld.de) werden heute außerdem auch im Internet mit Texten, Übungen und Audiofiles ergänzt – das macht zeitlich unabha"ngig von den 15-minütigen Radiosendungen. Das Besondere: Der Deutsche-Welle-Kurs wird in 24 Sprachen angeboten, von Albanisch bis Ukrainisch. „Unsere Idee ist, dass jeder, der Deutsch lernen will, auch die Möglichkeit dazu bekommt – egal, wo auf der Welt er lebt“, sagt Christiane Rabbe, Redakteurin im DW-Sprachkursteam. Allein 1,6 Millionen Begleitbücher sind schon verschickt worden. Derzeit arbeitet die Gruppe daran, den Multimediakurs „Redaktion-D“, der zusammen mit dem Goethe-Institut entstanden ist, für das Radio aufzubereiten. Mitte 2004 ist die erste Sendung.

Junges Deutsch
Um Sprache, wie sie nicht im Lehrbuch steht, geht es auf der Internetseite „Deutsch lernen mit jetzt.de“. DaF-Experten der Universität Gießen haben im Auftrag des Goethe-Instituts ein Online-Lernangebot entwickelt, das sich vor allem an junge Leute richtet und dauernd aktualisiert wird. Basis sind Zeitungsartikel des OnlineMagazins jetzt.de der Süddeutschen Zeitung, oft von Jugendlichen für Jugendliche geschrieben. Dazu gibt es ein Glossar mit jugendsprachlichen und umgangssprachlichen Ausdrücken, viele Übungen und Tipps für Lehrerinnen und Lehrer. Bis zu 30 000 Lerner klicken sich im Monat durch die Website. Für Anfänger ist sie allerdings nicht geeignet. „Mindestens 100 Stunden Deutsch sollte schon gelernt haben, wer die Seiten nutzen will“, sagt Projektmanagerin Eva Platten von der Uni Gießen. Ihre Diplomarbeit hat die Sprachenlehrerin über das „Bonbon“ der Seite geschrieben: den Chat. Mehrmals in der Woche können sich Deutschlernende in einem von Muttersprachlern moderierten Chat-Raum austauschen. Die Tutoren greifen manchmal korrigierend ein, aber es geht nicht darum, Grammatik zu erklären, sondern einfach um die Übung und den Kontakt zu Muttersprachlern. Das motiviere und fördere den kreativen Umgang mit der Sprache, sagt Eva Platten. Das Internet als virtuelles Eingangstor zur deutschen Sprache. Die ersten Chatter haben sich übrigens schon ganz real getroffen – bei einem Besuch in Deutschland.

Äàííàÿ ñòàòüÿ âçÿòà ñ ñàéòà: www.magazine-deutschland.de

 


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Wegen dem Regen?
Grammatische Veränderungen im heutigen Deutsch

Von Ludwig M. Eichinger

Grammatik verändert sich nicht so kurzfristig und schnell wie der Wortschatz. Tendenzen, Zweifelsfälle oder neue Entwicklungen in der Grammatik des Deutschen sind zumeist die Ausläufer längerfristiger Entwicklungen.
Einige Erscheinungen sind Spätfolgen der systematischen Veränderungen, von denen die Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache geprägt war (z.B. Festlegung der Kasus-Markierung auf den Artikel, der Kennzeichnung des Plurals auf die Endungen des Substantivs), eine zweite Gruppe lässt sich darauf zurückführen, dass an bestimmten Stellen Regeln der Schriftlichkeit von Regeln der Mündlichkeit überlagert werden. Letztlich gibt es auch Erscheinungen, die man als kurzfristigere Gebrauchspräferenzen verstehen kann. Ihre Bedeutung für das System ist unklarer.


Genitiv auf dem Rückzug
Wenn von der schwindenden Bedeutung des Genitivs die Rede ist, haben wir einen typischen Fall der ersten Gruppe vor uns. Tatsächlich hat der Genitiv seinen Platz als eines zweiten (ich beschuldige ihn dieser Tat) bzw. modifizierten (altertümlich: er genoss der Ruhe ‚partitiv') direkten Objekts praktisch verloren. Andererseits ist er als der einzige Attributkasus (der Tag des Baumes/der Milch) und als Präpositionalkasus (wegen/infolge des Regens) durchaus lebendig. Er ist also von einem vom Verb regierten Kasus im Satz zu einem Abhängigkeitssignal im nominalen Bereich geworden. Wie kommt es dazu? Im neuhochdeutschen Kasussystem fallen beim Femininum Dativ und Genitiv zusammen (der Frau), - man kann das indirekte (Dativ)objekt nicht eindeutig erkennen. Auf der anderen Seite ist der Genitiv bei starken Maskulina und Neutra (des Tags/Hauses) zweimal ausgedrückt. Diese Doppelung der Flexion wird ansonsten vermieden (vgl. das allmähliche Verschwinden des Dativ -e in Fällen wie: dem Manne). Nominalgruppen mit Genitivattributen werden leicht unübersichtlich, vgl. den folgenden Ausschnitt aus einem EU-Vertragstext:
(1) In Anerkennung der Bedeutung der Achtung grundlegender Rechte und Freiheiten, insbesondere des Schutzes der Privatsphäre […]
Da ist es günstig, dass die Endung -s, von der die Abhängigkeit signalisiert wird, ein deutliches und zudem mehrfach auftauchendes Signal setzt (des Schutzes). Beim Femininum können genitivische Attribute (der Bedeutung der Achtung) nicht mit dem Dativ verwechselt werden: Dativattribute gibt es nicht. Bei den Präpositionen (wegen des Regens/ der Flut) stört der Zusammenfall ohnehin nicht.


Geschriebene vs. gesprochene Sprache

Der auffälligste Fall für die Konkurrenz schriftsprachlicher und sprechsprachlicher Grammatik sind wohl die Unterschiede in der Konstruktion begründender Konnektoren wie weil oder obwohl. Sätze, die mit diesen W?rtern eingeleitet werden, kennen zwei Arten von Wortstellung, wenn sie als zweiter Satz in einem Kausalgefüge auftreten. Normalerweise steht in diesen Fällen - wie in Nebensätzen üblich - die flektierte Verbform am Ende.
(2) [Anna geht ins Freie] Sie hat einen Pullover angezogen, weil es draußen kalt ist.
(3) [Anna geht ins Freie] Sie hat keinen Pullover angezogen, obwohl es draußen kalt ist.
Im Fall der weil-Sätze kann man diese Begründung, prinzipiell mit einer leichten Sprechpause, wie bei geschriebenem denn als selbstädigen Satz nachschieben:
(4) "Sie hat einen Pullover angezogen, weil: es ist drauVen kalt."
Das ist eine typische Struktur der gesprochenen Sprache, die sich zumindest bisher in geschriebenen Texten allenfalls dort findet, wo der Eindruck von Mündlichkeit erweckt werden soll. Sie hat darüber hinaus funktionale Eigenheiten, die man im Schriftlichen eher mit der Konjunktion denn verbinden wüde, die wiederum im mündlichen Sprachgebrauch praktisch nicht vorkommt. Mit dieser Form können wir weichere, stärker von der eigenen Einschätzung abhängige, Formen der Begründung problemlos formulieren:
(5) "Es ist drau?en kalt, weil sie hat einen Pullover angezogen."
Aus unserer Beobachtung der Kleidung schließen wir aufgrund unserer durchschnittlichen Erfahrung auf eine dazu passende Temperatur. Bei "normalen" Nebensätzen mit dem Verb am Ende fällt uns eine solche sinnvolle Interpretation deutlich schwerer.
(6) "Es ist draußen kalt, weil sie einen Pullover angezogen hat."
Bei den mit obwohl eingeleiteten Fügungen ist der Unterschied noch deutlicher. Neben dem heldenhaften Satz
(7) Sie hat keinen Pullover angezogen, obwohl es draußen kalt ist.
steht die Aussage:
(8) Sie hat keinen Pullover angezogen, obwohl: es ist kalt draußen.
Bei ihr hält der Sprecher ein und denkt darüber nach, ob die Kleidungswahl auch angemessen war.


Bedürfnis nach neuen Ausdrücken
Manchmal zeigen Neuerungen und Entwicklungen an, dass bestimmte Ausdrucksbedürfnisse zu einer Zeit eine erhöhte Rolle spielen, die sich dann an verschiedenen Stellen ihre sprachlichen Mittel suchen.
Manches wollen wir neuerdings einfach genauer sagen können. Unser Wissen über bestimmte Dinge hat sich erhöht und so bringt uns ein erhöhtes Umwelt und Gesundheitsbewusstsein z.B. dazu, von schadstofffreien, schadstoffarmen, schadstoffhaltigen und schadstoffgesättigten oder -verseuchten Böden zu sprechen. So werden im Prinzip schon länger vorhandene Differenzierungen im Bereich der Adjektivwortbildung extensiv genutzt. Im Bereich des Wollens, Könnens und Dürfens finden sich systematische Ausbauprozesse. Dort findet man Reihen von Bildungen mit den Zweitelementen -fähig, -freudig oder -willig, die erkennbar zunächst entsprechende Eigenschaften von Personen bezeichnen, dann aber auf generellere Beziehungen ausgeweitet werden: So kommt man von den sangesfreudigen Menschen zu den drehfreudigen Motoren, denen die Drehzahlen leicht "von der Hand gehen", und neben dem aussagewilligen Zeugen, der aktiv ‚will', steht die impfunwillige Bevölkerung, die sich passiv nicht impfen lassen will, und die blühwillige Pflanze, die man leicht zum Blühen bringt, neben einer beziehungsfähigen Person dann letztlich mancherlei bürokratische Dinge wie vorsteuerabzugsfähige Aufwendungen, das man kaum mehr paraphrasieren kann.
Optimierungstendenzen in der Syntax
Die Struktur von Sätzen soll sich möglichst gut an das anpassen lassen, was man damit sagen will. So ist es am einfachsten, das, worüber man sprechen will, als Subjekt - mit dem Kasus Nominativ einzuführen. Das ist bei einem passenden Verb im Aktivsatz normalerweise problemlos möglich. Der folgende Satz handelt von dem Einbrecher:
(9) Der Einbrecher hat der Frau die Diamanten gestohlen.
Auch über die gestohlenen Diamanten kann man leicht sprechen, dazu dient das Passiv - es macht aus Akkusativen Nominative (von dem Einbrecher reden wir dann allenfalls beiläufig):
(10) Die Diamanten wurden der Frau (von dem Einbrecher) gestohlen.
Nur der Dativ bleibt sich, was immer geschieht gleich, und daher als Start des Satzes auff?llig:
(11) Der Frau wurden die Diamanten (von dem Einbrecher) gestohlen.
So überrascht es nicht, dass man zumindest im mündlichen Sprachgebrauch Ansätze dazu findet, auch dem Dativ diese Umwandlung zu ermöglichen. Bei dem in mehrerlei Hinsicht schönen Satz
(12) Es ist besser, Diamanten gestohlen zu bekommen, als gar keine zu besitzen
der in einem einschläigen Werk Sophia Loren zugeschrieben wird, wird von der Bedeutung von bekommen so weit abstrahiert, dass nur die passivische Ausrichtung ( wird gestohlen) auf ein ursprüngliches Dativ-Objekt (stehle jemandem) übrig bleibt. Wenn so Verben, die "eigentlich" etwas anderes bedeuten, grammatisch genutzt werden, spricht man von Grammatikalisierung. Dieser Effekt wird auch zum Beispiel genutzt, wenn in Fügungen wie zur Entscheidung bringen gegenüber dem einfachen Verb entscheiden hervorgehoben wird, dass es darum geht, dass diese Handlung gerade jetzt geschieht.


Lebendige Sprache
Ürigens: "wegen dem Regen". Seit Jahrhunderten gibt es bei den Pr?positionen trotz und wegen das Schwanken zwischen Dativ (trotzdem) und Genitiv (deswegen). Heute ist die Kasuswahl zum Teil regional aber mehr noch stilistisch bedingt. Normale bis gehobene Kontexte fordern den Genitiv (trotz/wegen dieser Ereignisse), je alltäglicher sie sind, desto mehr findet man den Dativ (trotz/wegen diesem Unsinn). Auch das ist ein Beleg dafür, dass die Varianten, die Trends und Entwicklungen im heutigen Deutsch nicht beliebigen Zufälen folgen. Sie sind die Folgen im Deutschen angelegter Optionen, sie spiegeln den Versuch, mit den Möglichkeiten, die in einer Sprache wie dem Deutschen prinzipiell vorgesehen sind, neuen Herausforderungen an ihre Ausdrucksmöglichkeiten zu begegnen.
Es mag sein, dass seit einigen Jahrzehnten diese Bewegung klarer wahrgenommen wird als in den hundertfünfzig Jahren davor, als es um die Durchsetzung und das Lernen der Standardsprache ging. Jetzt, wo sie unseren sprachlichen Alltag prägt, jetzt wo wir sie nicht mehr nur schreiben, sondern auch sprechen und durch Rundfunk und Fernsehen täglich gesprochen hören, zeigt sich auch in der standardnahen Sprache eine größere Bandbreite von Möglichkeiten. Der Status der verschiedenen Dinge, von denen in diesem Beitrag die Rede war, ist recht unterschiedlich: dass es diese verschiedenen Dinge gibt, zeugt aber sicherlich eher von der Lebendigkeit als vom Verfall unserer Sprache.

Ludwig M. Eichinger ist Direktor des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim
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uli 2004

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